König Xabi

Der Spanier Alonso trägt die Meister-DNA in sich und formte so innerhalb von anderthalb Jahren aus einem Abstiegskandidaten einen Titelträger

Ausgabe vom 16.04.2024
Seite 8
Von Roman Gerth


Feiern ja, aber nicht so lange: Keine Minute nach der Bierdusche schickte Xabi Alonso (rechts) seine Spieler wieder aus der Pressekonferenz.Foto: Meissner/AP
Verehrung: Ein Plakat im Leverkusener Stadion.Foto: IMAGO/ANP

Leverkusen. Die Ehrerbietung für Xabi Alonso von den Fans des Fußball-Bundesligisten Bayer Leverkusen ist offensichtlich: Die „Xabi-Alonso-Allee“ war inoffiziell schon eingeweiht worden, da fehlte der entscheidende Schritt zur Meisterschaft noch. Einige Tage vor der 5:0-Gala gegen Werder Bremen, die den ersten Meistertitel in der Vereinsgeschichte besiegelte, hatten Anhänger das Schild der Bismarckstraße, die am Stadion vorbeiführt, mit dem Namen des Trainers überklebt. Am Sonntag nach Abpfiff, als Tausende auf den Leverkusener Rasen stürmten, blitzte von einem Plakat das Konterfei Alonsos, darunter stand „King Xabi“.

Der 42-Jährige, der als Spieler zweimal Europa- und einmal Weltmeister mit Spanien geworden war sowie zweimal die Cham­pions ­League gewonnen hatte, ist für die Leverkusener nicht weniger als eine Heldenfigur. Als er im Herbst 2022 ins Rheinland kam und einen verunsicherten Tabellenvorletzten übernahm, gab es durchaus Zweifel, ob er der richtige Coach zur richtigen Zeit ist. Zuvor hatte Alonso die zweite Mannschaft von Real Sociedad San Sebastián (2019 bis 2022) trainiert. Zwar führte er seinen Jugendklub zum historischen Aufstieg in die 2. Liga – aber der damalige Sprung ins kalte Wasser schien ambitioniert.

Früh jedoch belehrte er die Zweifler eines Besseren. Von Rang 17 führte er Bayer in der Vorsaison in die Europa ­League, nach einer herausragenden Kaderplanung im vergangenen Sommer gelang nun das Meisterstück.

Am Tag des größten Erfolgs in seiner jungen Trainerlaufbahn bewies Alonso, wieso er unterm Bayer-Kreuz unvergleichlichen Heldenstatus besitzt. Als die Profis die obligatorische Bierdusche auf der Pressekonferenz ze­le­brier­ten, feierte der Architekt des Erfolgs zunächst freudig mit. Nach 45 Sekunden schickte er seine Schützlinge dann freundlich, aber bestimmt nach draußen. Jubel ja, aber mit Anstand.

„Xabi I.“, wie ihn die spanische Zeitung „Marca“ am Montag taufte, unterstrich seine Demut. Alonso verwies auf alle, die den Titel aus seiner Sicht erst möglich gemacht hatten: seine Vorgänger, von denen er einzeln „Christoph Daum, Klaus Toppmöller, Roger Schmidt“ mit gewohnt sympathischem Akzent aufzählte, aber „auch alle anderen Trainer“.

Am Spielfeldrand hatte es zuvor eine ebenso beeindruckende Szene gegeben: Granit Xhaka, einer der Schlüsselzugänge im Sommer, wurde ausgewechselt. Der Schweizer war davor mit Werder-Profis und dem Schiedsrichtergespann aneinandergeraten, obwohl es 3:0 stand. Und Alonso? Nahm den Profi in den Arm und gab ihm einige Worte und einen aufmunternden Klaps mit, ehe Xhaka beruhigt auf die Bank ging.

Der Spanier hat sein Team im Griff. Er harmoniert mit den Vereinschefs und muss nichts sagen, um Leverkusens Fans zu entzücken. Als der Meistermacher am späten Sonntagabend auf dem Balkon der VIP-Loge aber sogar das Mi­kro­fon griff, folgte pure Ekstase. Mitten hinein in „Xabi Alonso“-Gesänge rief er: „Wir wollen mehr – Pokal und Europa ­League!“ Und danach: „Deutscher Meister!“

Auch mit dem Bekenntnis zum Klub für die kommende Saison hatte er – wieder einmal – Größe bewiesen. Nachdem die Gerüchteküche gebrodelt und Alonso abwechselnd zu einem seiner Ex-Arbeitgeber Bayern oder Liverpool fabuliert hatte, widerstand der Baske den Verlockungen. „Ich respektiere sie“, erklärte er. „Es wäre aber nicht richtig, jetzt über die Klubs zu reden. Ich bin am richtigen Ort.“ Mit diesen Auftritten fliegen ihm überall die Sympathien zu. Es gibt wohl keinen, der ein schlechtes Wort über ihn verliert.

Alonso paart Charisma und Empathie mit geballter Fußballexpertise. Das bewies er schon als Aktiver bei 494 Erstligapartien in England, Spanien und Deutschland, 119 Champions-League-Einsätzen und 114 Länderspielen. All das vereint ergibt die Meister-DNA von „King Xabi“.