Grand Malheur

Nach Frankreichs Sieg gegen Österreich gibt es bei der Équipe Tricolore nur noch ein Thema: Welche Auswirkungen hat der Nasenbeinbruch von Kylian Mbappé?

Ausgabe vom 19.06.2024
Seite 11
Von Carsten Lappe


In Sorge um seinen Superstar: Didier Des­champs.Foto: Marius Becker/dpa
Schmerzhaft: Kylian Mbappé hat sich gegen Österreich einen Nasenbeinbruch zugezogen.Foto: Kevin C. Cox/Getty

Düsseldorf/Paderborn. Kylian Mbappé war schon wenige Stunden nach seinem furchteinflößenden Nasenbeinbruch wieder halbwegs zu Scherzen aufgelegt. Die französischen Fußballfans sind seit der Nacht zu Dienstag dagegen in großer Aufregung. Kann der Superstar der ­Équipe Tri­co­lore an diesem Freitag im möglicherweise schon vorentscheidenden Gruppenspiel ge­gen die Niederlande (21 Uhr, ARD und Magenta TV) wieder spielen oder nicht?

Das scheint derzeit völlig offen. Es sei noch zu früh für eine Prognose, hatte Verbandspräsident Philippe Diallo am Dienstag in Paderborn gesagt. „Ihm ging es schon heute Morgen etwas besser, jetzt werden wir von Tag zu Tag weitersehen“, sagte Didier Deschamps. Laut dem Nationalcoach muss sich Mbappé aber einer Operation unterziehen – allerdings nicht zwingend in den kommenden Tagen. „Auch wenn es nicht sofort sein muss, wird er einen chirurgischen Eingriff machen lassen müssen“, sagte Deschamps in einem Video, das der französische Fußballverband am Dienstagabend veröffentlichte. „Am Mittwoch wird es weitere Untersuchungen geben, um zu sehen, wie sich die Dinge entwickeln.“

Beim 1:0-Zittersieg des EM-Favoriten zum Auftakt am Montag gegen Ralf Rangnicks wackere Österreicher war Mbappé in der Schlussphase des Spiels in Düsseldorf mit seinem Gesicht mit voller Wucht auf die Schulter des früheren Fortuna-Profis Kevin Danso geprallt. Blutüberströmt wankte er nach minutenlanger Behandlung und anschließenden Mätzchen schließlich vom Feld und wurde schnell mit einem Rettungswagen in die Uniklinik Düsseldorf gebracht. Klar ist seit dem frühen Dienstag: Die Nase ist gebrochen, und Mbappé benötigt eine speziell angefertigte Maske bei seinem nächsten Einsatz – wann immer der sein wird.

„Ideen für Masken?“, schrieb Mbappé kurz nach der Entlassung aus der Klinik wieder beim Kurznachrichtendienst X. Anderen ist weniger zum Schmunzeln zumute. „Die Sache ist kompliziert“, sagte Des­champs mit ernster Miene. Schon vor der Rückfahrt ins Teamquartier nach Bad Lippspringe bei Paderborn am Montagabend machte er sich Gedanken über einen möglichen Ausfall seines Anführers. „Eine französische Nationalmannschaft mit Kylian ist immer stärker“, sagte der 55-Jährige.

Zumal er gegen die starken Niederländer sein Topteam benötigt. Bei einer möglichen Niederlage droht dem Europameister von 1984 und 2000 nur Platz zwei in der Gruppe D und damit ein Achtelfinalduell, das in Frankreich niemand will: mit dem Nachbarn Belgien. Nicht nur bei Des­champs sind die Sorgen groß. „Opfer eines Knochenbruchs mit noch ungewissen Folgen“, schrieb „Le ­Monde“.

Ohne Mbappé würde sich die gesamte Statik im Spiel der Franzosen verändern. Über den pfeilschnellen künftigen Profi von Real Ma­drid läuft bei Les Bleus nahezu alles in der Offensive. Auch am Siegtreffer am Montag durch das Eigentor des Mönchengladbachers Maximilian Wöber (38. Minute) war Mbappé direkt beteiligt. „Es ist sicher, dass sich ohne einen Spieler wie Kylian viele Dinge ändern würden“, sagte Abwehrspieler Jules Koundé.

Für Des­champs ist er unbestrittener Anführer. Mbappé setzte auch vor dem Spiel schon ein viel beachtetes Zeichen, als er angesichts des Rechtsrucks in seiner Heimat bei der Europawahl die junge Generation in Frankreich aufrief, sich an der anstehenden Neuwahl zum französischen Parlament zu beteiligen. „Dies ist ein wichtiger Moment in der Geschichte unseres Landes. Vielleicht ist er so wichtig wie noch nie“, sagte er und maß der Situation sogar größere Bedeutung bei als dem eigenen EM-Auftakt. Nach seinem Unfall gibt es rund um die ­Équipe Tri­co­lore nun aber nur noch ein Thema: Mbappés Nase.