Der Elefant im Raum

Ausgabe vom 19.06.2024
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Kein Wort zum Brexit: Keir Starmer (l.) und Rishi Sunak.Foto: Jonathan Hordle/Itv/PA Media/dpa
Susanne Ebner ist Großbritannien-Korrespondentin des RND. Über Unternehmen und Menschen in der britischen Wirtschaft schreibt sie hier regelmäßig im Wechsel mit RND-Korrespondenten aus anderen Hauptstädten.

Warum spricht im Wahlkampf niemand über den Brexit?“. David Cameron, konservativer britischer Außenminister und ehemals Regierungschef, parierte die Frage in einer Pressekonferenz pflichtschuldig: „Wir reden doch hier darüber.“ Dass sich der 57-Jährige kritische Fragen gefallen lassen muss, ist nicht verwunderlich. Schließlich war er es, der 2016 die Gräben in seiner Partei mit einem Referendum zu kitten versuchte – das dann quasi aus Versehen zum EU-Austritt seines Landes führte.

Es gäbe viel zu sagen über den Brexit. Vor allem vor den Wahlen, die Rishi Sunak – der vierte Premierminister nach Cameron – für den 4. Juli angesetzt hat. Der Brexit spaltete das Vereinigte Königreich, die Investitionsbereitschaft der Unternehmen wurde gedämpft, und zum Ärger vieler Brexit-Wähler, die das Gegenteil erreichen wollten, ist die Zahl der Einwanderer höher als vor dem EU-Austritt. Aber keiner will darüber reden.

Tim Bale, Politologe an der Queen Mary University of London, spricht von einer „Verschwörung des Schweigens“. Der Brexit sei der sprichwörtliche Elefant im Raum. In einem 60-minütigen Wortgefecht zwischen Ri­shi Sunak und Labour-Chef Keir Starmer tauchte das Thema nicht einmal am Rande auf.

Sunak, damals wie heute ein Brexit-Befürworter, will nicht darüber sprechen, weil eben kein „goldenes Zeitalter“ angebrochen ist. Starmer hingegen fürchte um Stimmen, wenn er den Brexit zur Sprache bringe, sagt Pa­trick Diamond, einst Berater der früheren Labour-Regierung. Die Partei brauche Wähler aus beiden Lagern. Auch die rechtspopulistische Partei Reform UK unter Nigel Fa­rage, der sich lautstark für den EU-Austritt einsetzte, meidet das Thema – oder verweist darauf, dass der Brexit falsch umgesetzt worden sei.

Tatsächlich würden auch viele Insulaner das ganze Kapitel am liebsten vergessen. „Sie können sich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden, die ganze Sache noch einmal diskutieren zu müssen“, sagt ­Bale. Der Brexit sei eine Wunde, die viele nicht aufreißen wollten. Zumindest jetzt nicht.